Von Affen und Aufgaben

Ich möchte euch gerne in ein Bild mitnehmen.
Das aufzeigt, wie wir miteinander um Zuständigkeiten und um Erwartungen ringen. Warum manche Menschen wie unbelastet durchs (berufs-)leben gehen, andere aber parallel schier zusammenklappen unter Arbeit, Aufgaben und Verantwortung.
Ich bin überzeugt, das Bild hilft, ohne „Schuldzuweisung“ Aufgaben zu verteilen und sich zu entlasten.
Mein Bild ist eine Horde von kleinen Klett-Affen.

Ich gehe davon aus, dass niemand alleine auf einer Insel lebt. Wir haben immer mit anderen Menschen Berührungspunkte. Jeder Mensch im Miteinander nimmt dabei Rollen und Aufgaben an. Für ein Unternehmen. Aber auch privat.
Ich bin Kassiererin im Supermarkt, Schichtleiter, Sachbearbeiter, Krankenschwester, Techniker oder Projektleiterin, ich bin Mutter von 2 Kindern, Sohn, Nachbar, Bruder,…

Meist treffen wir auf unterschiedliche Menschen in verschiedensten (anderen) Rollen: als Kunde, Weiterverarbeiter, Vorgesetzer, Enkelkind, Besucher oder Kollege aus einer anderen Abteilung.
Beruflich sind Rollen und Aufgaben definiert in Arbeitsplatzbeschreibungen, sie werden verwaltet und besetzt von der Personalabteilung – und von Fachvorgesetzten definiert.
Immer kommunizieren wir dabei miteinander.

Eine Rolle zu haben (und darin für etwas zuständig zu sein) ist privat und insbesondere beruflich einfach normal.

Willkommen in der Affenhorde

Betrachten wir ab heute unsere Tätigkeiten, Aufgaben und Zuständigkeiten – und damit unsere Pflichten und auch zu lösende Probleme – als kleine, haarige Klett-Affen.

All diese Aufgaben und Probleme setzten sich sofort auf unsere Schultern, rennen um unsere Füße herum und wollen unsere Aufmerksamkeit.
Diese netten, geselligen, anhänglichen Biester haben unterschiedlichste Charaktere – und wir mögen oder hassen sie.
Und meist möchten wir sie einfach nur los werden.

Sie klammern sich an uns, verstecken sich (wenn wir nicht hingucken), wollen gefüttert, gebürstet und versorgt werden – und kreischen, wenn wir sie ignorieren, plötzlich los. Sie sind unselbständig und auf unsere Hilfe angewiesen.
Sie wachsen, verbünden sich mit anderen Klett-Affen, und rauben uns Schlaf und Verstand, wenn wir nicht achtsam sind.
Kurz: sie können ziemlich nerven.

Stellen wir uns weiter vor, dass jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen verschiedenste Affenviechern auf seinen Schultern sitzen und um sich herumlaufen hat.
Für Pflege und Hüten werden wir ja bezahlt.
Mit der Aufgabe gehören uns also einige Affen, vielleicht eine ganze Horde, wir sind für sie zuständig.

Wenn ich meine Arbeit gut schafft (= Zeit, Qualifikation und Talent zur Affenbande passen), die Aufgaben, Themen und Anforderungen klar definiert sind (= das Gehege und die Affengruppen zugeordnet sind), dann bin ich als Mitarbeiter ein Dompteur und Tierwärter wie im Zoo: das Futter ranholen, Befindlichkeiten checken, Fell bürsten, Vitamine verabreichen. Kleine Affen groß ziehen – und aus der Verantwortung in andere Gehege entlassen; füttern, schauen, ob der Affe auch schläft oder sich einen Splitter eingetreten hat. Für Medizin und Hilfe sorgen, kraulen.

Volle Fürsorge.

Zucker

In dieser Vorstellung ist ein Unternehmen jeder Art wie ein großes Affenhaus.
Wenn es „läuft“ dann sind im großen und ganzen alle gesund, werden gepflegt und die Affen vermehren sich fleissig und wachsen glücklich.

Ich lass mir doch den Affen nicht auf die Schulter setzen!

Schauen wir näher hin, dann sehen wir aber oft die Affen, wie sie durch die Büroflure toben:
Herrenlose Affen, die nach Futter suchen.
Verlauste, kranke alte Affen, die ganze Affengruppen anstecken.
Oder Affen, die auf 2-3 Schultern gleichzeitig hocken, herunter fallen und sich die Ärmchen brechen.
Affen, die man mal eben dem Kollegen im Vorbeigehen auf die Schulter schummelt. Und (sehr beliebt) auch mit einem Besuch beim Chef auf seinem Schreibtisch aussetzt.

Wir Affenwärter verhalten uns alle unterschiedlich: der eine kann gar nicht genug Affen bekommen – und krault und pflegt alles, was man auf ihn loslässt.
Der Andere will keine Affen. Er setzt sie ab, wo er kann – gern mal eben im Fahrstuhl, wenn man nicht wegkommt: „Sag mal, könntest du nicht…“.

Am sichersten jedoch werden die Affen beim Vorgesetzten platziert (der ist ja eh für die Horden zuständig, soll er doch gleich die gesamten geklemmten Affenschwänze versorgen).


Was sind meine Affen – und wo rennen sie überall?

Ich denke, die Affenhorde ist ausführlich beschrieben.
Viele Situationen im beruflichen Alltag lassen sich damit sofort greifbar zeichnen.
Mit diesem – sympathischen – Bild können (Konflikt-) Situationen klar beschrieben, Führungsaufgaben deutlich adressiert und Zuständigkeiten „in Affen“ zugeteilt werden.

Wir kommen damit weg von „Schuld“ und der Erwartung „…warum hat denn der Kollege nicht…“ hin zu einem „Wem gehört der Affe, wer hat (vergessen) ihn zu füttern – und welcher Affe muss noch eingefangen werden?“


Gib dem Affen Zucker!

Lasst uns also bitte anfangen zu diskutieren und Affen auf Schultern zu sortieren.

Ebenso wird ein klares „Nein: den Affen lasse ich mir nicht aufsetzen“ der (überlasteten) Führungskraft den Affen dort platzieren, wo er hingehört.
Wenn der Mitarbeiter sich nicht kümmert – oder vielleicht nicht kümmern kann! – ist umgekehrt die berechtigte Frage: sucht der Vorgesetzte einen anderen Wärter oder stellt er seinem Mitarbieter genug Bürsten und Futter zur Verfügung?

Weiter wird es helfen, die Zahl an eigenen und fremden Affen (die man aktuell trägt) zu zählen, um Belastungen zu erkennen.
Es kann auch helfen, liebgewonnene Affen abzugeben – aber auch heroisch Affen einzufangen und anzunehmen, damit sie nicht mehr die Kollegen beißen.

Ich wünsche euch viel Spass bei der persönlichen Affenzählung.
Und bei der nächsten Fahrstuhlfahrt — aber bitte behalt deinen Affen bei dir.